Vom Hilton ins Web
Das Ads Camp zum ersten Mal virtuell 2020 – im Interview mit Jan Stranghöner
Das Ads Camp findet erstmalig als Digitalkonferenz statt. Was das genau für die Gäste und Speaker bedeutet und wie es das Team geschafft hat, die zweitägige Veranstaltung innerhalb von wenigen Wochen zu digitalisieren, erfahrt ihr im Interview mit Jan Stranghöner. Er ist Co-Founder der Social-Media-Beratung Social Marketing Nerds und Veranstalter des Ads Camps.Das Ads Camp findet erstmalig als Digitalkonferenz statt. Was das genau für die Gäste und Speaker bedeutet und wie es das Team geschafft hat, die zweitägige Veranstaltung innerhalb von wenigen Wochen zu digitalisieren, erfahrt ihr im Interview mit Jan Stranghöner. Er ist Co-Founder der Social-Media-Beratung Social Marketing Nerds und Veranstalter des Ads Camps.
Jessica: Wann habt ihr euch dazu entschlossen, das Ads Camp virtuell stattfinden zu lassen, anstatt es zu verschieben und wie kam es dazu?
Jan: Die finale Entscheidung ist Ende Februar gefallen. Dafür gab es zwei ausschlaggebende Gründe. Zum einen wollten wir keinen Alternativtermin kommunizieren, den wir nicht zu 100 Prozent einhalten können. Seit Mitte letzter Woche wissen wir, dass wir hier auf jeden Fall den richtigen Riecher hatten. Alle verschobenen Konferenzen stehen jetzt erneut vor der Herausforderung, einen weiteren Alternativtermin zu finden oder eine Digitalkonferenz auf die Beine zu stellen – jedenfalls wenn sie bis zum 31. August 2020 stattfinden. Das ist ein enormer kommunikativer und organisatorischer Aufwand.
Zum anderen haben wir zu Beginn der Corona-Krise mit zahlreichen Unternehmen aus der Industrie und dem Handel gesprochen – durch unser Agenturgeschäft haben wir hier Einblicke aus erster Hand bekommen. Wir sind in unseren Gesprächen zu dem Entschluss gekommen, dass wir mit den Themen, die wir im Ads Camp behandeln, nicht weitere sechs Monate oder sogar länger warten können. Denn die Umstrukturierung von Marketing-Prozessen ist für viele Unternehmen genau jetzt relevanter denn je. Die Budgetallokation verschiebt sich zurzeit enorm von offline ins Digitale, weshalb sich Unternehmen jetzt mit den Themen befassen müssen.
Jessica: Wie waren die Reaktionen der Speaker und Gäste? Falls es negative Stimmen gab, welche Kritikpunkte hatten diese?
Jan: Erstmal haben wir für uns das Credo gesetzt, das Ganze als Chance zu verstehen. Dazu gehörte zunächst, den Impuls aufzugreifen, das Ads Camp zu digitalisieren und anschließend das komplette Produkt in seine Einzelteile zu zerlegen. Dies hat zur Folge, dass wir mit dem, was wir jetzt anstreben, komplett neue Welten bereisen, die vorher nicht so konsequent digital waren. Bereits während dieses Prozesses haben wir unsere erstklassigen Speaker an Bord geholt.
Bei den Speakern gab es zunächst viel Erklärungsbedarf zum Produkt der Digitalkonferenz an sich. Nach einigen Gesprächen konnten wir aber eine positive Grundstimmung feststellen. Ganz nach dem Motto „Wenn es eine Branche schafft, eine Digitalkonferenz professionell aufzuziehen, dann muss es unsere sein“. Fairerweise muss ich dazusagen, dass nahezu alle Speaker selbst Publisher sind. Das bedeutet, dass diese die Aufzeichnungsmethoden und die technischen Möglichkeiten kannten, die notwendig sind, um das Ganze in einer hohen Qualität abzuliefern. Das hat uns enormen Rückenwind gegeben. Ich denke, was für sich spricht, ist, dass uns kein Speaker absagte.
Bei den Gästen standen wir vor der Herausforderung, Dinge in Worte zu fassen, die man so noch gar nicht kennt: Was ist eine virtuelle Konferenz? Was bedeutet das für mich als Gast? Worauf muss ich verzichten? Was sind die Vorteile? Das Ganze auf einer Landingpage in drei bis vier Sätzen zu erklären, ist relativ komplex, weshalb wir hier einen hohen kommunikativen Aufwand hatten. Daher haben wir angefangen, mit Bewegtbild zu arbeiten, um das Produkt besser beschreiben zu können.
Was ich zum Thema Reaktionen der Gäste nicht verschweigen möchte, ist, dass auch wir als Veranstalter die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona bemerkt haben. Insbesondere Teilnehmer aus der Reisebranche haben zum aktuellen Zeitpunkt selbstverständlich keine Zeit und kein Budget für Fortbildungen, weshalb wir hier aus Kulanz die Tickets storniert haben.
Jessica: Wie du eben angesprochen hast, ist das Wording „Digitalkonferenz“ noch ziemlich unbekannt. Auf eurer Website werbt ihr damit, dass die Gäste kein einfaches Webinar, sondern eine virtuelle Konferenz erwartet. Was genau unterscheidet das anstehende Ads Camp von einem Webinar?
Jan: Unabhängig vom Rahmen an sich sind die Inhalte beim Ads Camp selbstverständlich nach wie vor exklusiv. Es findet über zwei Tage ein enormer Wissenstransfer statt, der einen hohen Wert besitzt. Technisch gesehen ist der Unterschied zu einem Webinar, dass wir eine produzierte Sendung auf die Beine stellen. Wir haben ein Studio, ein Set-Design, eine komplette Streaming-Technologie, drei Kameras sowie einen Bild- und Tonmischer. Wir produzieren das Ads Camp also wie eine TV-Sendung.
Das ganze Setting macht es dem Nutzer sehr einfach, den Content aufmerksam über mehrere Stunden hinweg zu konsumieren. Bei einem Webinar ist es häufig schwierig, nach einer halben Stunde die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, was an der Monotonie und Starrheit des Formats liegt. Dieses versuchen wir durch produktionsseitige Impulse, die Studio-Situation und Interaktionselemente aufzulockern. Was unsere Digitalkonferenz zusätzlich von einem Webinar unterscheidet: Die Partizipation geht über die Konferenz hinaus. Ab dem 1. Mai wird es eine geschlossene Facebook-Gruppe geben, in der mehrere Wochen nach dem Ads Camp Fragen gestellt werden können. Während der einzelnen Sessions ist außerdem auch eine 1-zu-1-Kommunikation möglich. Die Aufzeichnungen der einzelnen Vorträge erhalten alle, die ein Ticket haben, natürlich trotzdem.
Jessica: Das klingt auf jeden Fall nach einem großen organisatorischen Aufwand. Hast du aus deiner Erfahrung heraus Tipps, was andere Konferenzen, die jetzt mit der Digitalisierung ihrer Veranstaltung erst starten, auf jeden Fall in dem Prozess beachten sollten? Ist der Planungsaufwand in etwa mit dem einer Offline-Veranstaltung vergleichbar?
Jessica: Neben den Herausforderungen, die sich in der Planung einer Digitalkonferenz ergeben, entstehen mitunter für euch bestimmt auch viele Chancen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr zum Beispiel einige Besucher gewinnen konntet, die unter den normalen Umständen die Fahrt nach Köln nicht auf sich genommen hätten. Falls du das bestätigen kannst: Glaubst du, dass Konferenzen zukünftig vermehrt zusätzlich Digital-Tickets anbieten, um den Interessentenkreis zu vergrößern? Und welche weiteren Chancen ergeben sich aus deiner Sicht?
Der Parallelbetrieb an sich, also die Auswahl zwischen einem Digital- und Vor-Ort-Ticket, ist natürlich nichts Neues. Lediglich die Art und Weise, wie er produziert wird, schafft unterschiedliche Wertigkeiten – zum Beispiel durch zusätzliche Add-Ons. Bisher war es immer so, dass Streaming-Tickets die günstigsten waren. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass die Digital-Tickets in der Vergangenheit ziemlich verramscht wurden. Das kann ich nicht nachvollziehen, da bei Konferenzen der Wissenstransfer das höchste Gut ist, welches Online-Teilnehmer genauso erhalten wie Offline-Teilnehmer. Es wird zukünftig die Aufgabe sein, durch Digital-Tickets keine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu begünstigen, sondern fernab vom Streaming weitere Angebote zu schüren, von denen Digital-Ticket-Besitzer profitieren. Ich bin der Meinung, dass durch die positiven Erfahrungen mit Digitalkonferenzen, die Akzeptanz, Videos zu konsumieren, steigt und daher auch die Nachfrage nach Digital-Tickets größer wird.