Anfang letzten Jahres haben wir euch unseren aktualisierten und erweiterten Wikipedia-Leitfaden in einem Blog-Artikel vorgestellt. Der Leitfaden erklärt die Vorgehensweise, um Artikel zur Firma, den Marken oder der Unternehmerperson in die Wikipedia zu bringen – oder um bereits bestehende Artikel zu überarbeiten und zu aktualisieren. Er ist ein Schritt-für-Schritt-Guide für alle, die in Wikipedia mitwirken und von „unschönen Erfahrungen“ in Form von Rückgängigmachungen, Löschungen oder Sperrungen verschont bleiben möchten. Wer sich gründlich in das Regelwerk und die vielen ungeschriebenen Gesetze einarbeitet, hat durchaus gute Chancen, seine Ziele – im Rahmen des Zulässigen und Machbaren – zu erreichen.
In der neuen Artikelserie „Wikipedia-Praxistipps“ geht es um Vorgehensweisen und Lösungswege bei häufig anzutreffenden Problemfällen. Die erste Lektion widmet sich Personenartikeln, bei denen zwei Herausforderungen im Blickpunkt stehen. Zum einen ist es die Frage, welcher Unternehmer oder Manager einen eigenen Artikel bekommen kann, zum anderen geht es um pikante Details in Artikeln zu „lebenden Personen“, die der Betroffene lieber nicht öffentlich dargestellt sähe.
Relevant oder nicht?
Personenartikel für Unternehmer oder Manager
Die Wikipedia als Online-Enzyklopädie hat Relevanzkriterien für nahezu jeden Gegenstand der Betrachtung aufgestellt, einschließlich Angehöriger verschiedenster Berufsgruppen – nur eben nicht für Unternehmer und Manager. Über Relevanzkriterien für diese Berufsgruppe gibt es zwar seit vielen Jahren schon eine lebhafte Diskussion, aber die Community hat sich in dieser Frage bisher nicht geeinigt. Die Krux ist nun: Ohne spezielle Kriterien können nur die allgemeinen Kriterien für „lebende Personen“ zur Anwendung kommen – doch gerade die geben kaum etwas her: Welcher Unternehmer ist schon als „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet oder wegen seiner Beteiligung an politischen Ereignissen bekannt?
Somit ist es zunächst einmal schwer zu beurteilen, welcher Unternehmer oder Manager überhaupt eine realistische Chance auf einen Artikel in Wikipedia hat. Das Problem löst ihr so: Handelt es sich nicht um ein Vorstandsmitglied eines Konzerns, der den nationalen Aktien-Leitindizes angehört – nur in diesem Fall ist von vornherein von Relevanz auszugehen – ist die Artikelwürdigkeit fast immer im Einzelfall zu prüfen. Ein guter Hinweis auf Relevanz ist anhaltende mediale Rezeption. Ideal sind Porträts in führenden Medien. Auch ein hoher Verdienstorden, der soziales oder gesellschaftliches Engagement würdigt, begründet Relevanz.
Im Zweifelsfall lässt sich über einen Relevanzcheck einfach klären, ob andere Wikipedianer den vorgebrachten Argumenten für einen Artikel folgen. Dabei handelt es sich um eine Art umgekehrte Löschdiskussion, die über die Anlage neuer Seiten entscheidet. Sollte die Community die Relevanz bestätigen, könnt ihr loslegen. Nutzt hierbei das verifizierte Benutzerkonto des Unternehmens, für das ihr tätig seid, und achtet darauf, alle angeführten Fakten mit unabhängigen Quellen zu belegen und dem ‚neutralen Standpunkt‘ gerecht zu werden. Wendet euch gegebenenfalls an einen erfahrenen Spezialisten, der euch im Hintergrund unterstützt.
Au backe!
Pikante Details in einem Personenartikel
Doch wie lässt sich erreichen, dass pikante Einzelheiten aus dem Artikel verschwinden? Hier ein paar Tipps zum Vorgehen: Prüft zunächst, ob Kritikpunkte unter Umständen die Persönlichkeitsrechte verletzen – denn dann ist die Lage eindeutig und eine Änderung sollte sich ohne nennenswerten Aufwand durchsetzen lassen. Typisches Beispiel ist ein Ermittlungsverfahren, das gegen die Person eröffnet und später eingestellt wurde, aber im Wikipedia-Artikel Erwähnung findet. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart muss man es nicht in jedem Fall hinnehmen, wenn über eingestellte Ermittlungen oder Strafverfahren berichtet wird (OLG Stuttgart, AZ: 4 U 78/13). Das gilt auch für die Wikipedia, wenn sich kein öffentliches Interesse geltend machen lässt.
Korrekturen erreichen – im Austausch mit der Community
Um eine Korrektur zu erreichen, gibt es verschiedene Optionen. Keinesfalls solltet ihr einfach zur Tat schreiten und Artikelabschnitte löschen. Kontaktiert vielmehr den Wikipedia-Autor, der die Kritik oder nicht gewünschte Information in den Artikel eingefügte. Alternativ habt ihr die Möglichkeit, auf der Diskussionsseite eine entsprechende Änderung anzuregen. Ein Austausch mit der Community führt fast immer zum Ziel. Wenn alles nichts hilft, sollte sich der Betroffene selbst mit einer Fristsetzung an den Betreiber der Wikipedia wenden – das ist die in den USA registrierte Wikimedia Foundation und nicht der deutsche Verein Wikimedia Deutschland.
Beanstandungsfähig sind neben eingestellten Ermittlungsverfahren auch Straftaten, wenn kein langfristiger Zusammenhang mit dem enzyklopädisch relevanten Lebensbereich der Person erkennbar ist, falsche Tatsachenbehauptungen sowie Schmähkritik – nicht jedoch allgemeine Werturteile über die eigene Person, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.
Die Chancen für einen positiven Ausgang stehen gut, denn die Wikipedia sieht sich bei Artikeln zu „lebenden Personen“ in einer besonderen Verantwortung, die Menschenwürde und Privatsphäre zu berücksichtigen. Sie möchte, dass die Community „jede Person, die eine Beschwerde über ihre Darstellung in unseren Projekten vorbringt, mit Geduld, Freundlichkeit und Respekt behandelt“ (Resolution der Wikimedia Foundation).
In Lektion 2 der Artikelserie „Wikipedia-Praxistipps“, Ende des Jahres, geht es um die beste Strategie für Unternehmen, den Eintrag zum eigenen Unternehmen zu verbessern oder den Artikel neu anzulegen, sowie darüber hinaus um die Chancen für kleine Unternehmen.